Wie die Glocke berichtet, hat der Rat der Stadt Rietberg »Angst vor rechtlichen Konsequenzen«.

Fear, Uncertainty and Doubt — wer auch immer den Rat der Stadt Rietberg beraten hat, FUD scheint die Maxime gewesen zu sein.

Zitat aus der Vorlage:

In einem freien Funknetzwerk stellen alle Nutzer ihre WLAN-Router gegenseitig für den Datentransfer der anderen Teilnehmer zur Verfügung. Regelmäßig öffnen sie auch ihren Internetzugang und ermöglichen anderen den Zugang zum Internet.

Hier liegt ein rechtliches Hauptproblem einer solchen offenen Architektur; die sog. Störerhaftung. Während die kommerziellen TK-Diensteanbieter das sog. Providerprivileg genießen und nicht für Rechtsverletzungen (z.B. Urheberrechtsverstöße, strafrechtliche Sachverhalte usw.) haften, die von Nutzern über ihre Anschlüsse vorgenommen werden, gilt dies für Privatpersonen und Unternehmen nicht.

Grafik
Freifunk-Topologie
Ach, menno. »Straf­recht­liche Sach­ver­hal­te« haben mit dem »Pro­vi­der­pri­vi­leg« nichts zu tun, und ak­tuel­le Frei­funk-Kon­zep­te sind, genau wie Deut­sche Tele­kom, Voda­fone und Co., von der Stö­rer­haft­ung aus­ge­nom­men.
 
Zum gefühlt sie­ben­hun­dert­vier­und­zwan­zigst­en Male zitiere ich also z. B. die Aus­führ­ung­en der Rechts­an­walts­kanz­lei Feuer­hake:
 

Habe ich Störerhaftung für meinen Freifunkrouter?

Nein, mit einem Frei­funk­router kön­nen Sie nicht auf­grund von Störer­haft­ung in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Die Haft­ung scheidet auf­grund tech­nischer und recht­licher Er­wä­gun­gen aus:

Tech­nisch ist der ein­zel­ne Frei­funk­router im Netz­werk nicht iden­ti­fi­zier­bar. Die ein­zel­nen Frei­funk­router wer­den mit Gate­ways ver­bun­den, die den gesam­ten Traf­fic über den Ser­ver des För­der­ver­eins Freie Netz­werke […] len­ken. Der För­der­ver­ein in Ber­lin kann die IP-Adres­sen nicht zu­ord­nen und spei­chert diese auch nicht, denn in Deutsch­land gibt es keine Vor­rats­da­ten­speicher­ung. Die bis­he­ri­gen Re­gel­ung­en zur Vor­rats­da­ten­spei­cher­ung waren ver­fas­sungs­wid­rig, vgl. BVerf­GE zur Vor­rats­da­ten­speicher­ung.

Recht­lich ist eine Störer­haft­ung ebenso aus zwei Grün­den nicht ge­ge­ben: […]

Nächste Nebelkerze: Jugendschutz — wie schon in Gütersloh.

Einen weiteren recht­lichen Aspekt stellt das Thema Jugend­schutz dar. Ge­mäß § 5 JMStV (Jugend­medien­schutz-Staats­ver­trag) dür­fen Min­der­jähr­ige keinen Zu­riff auf ent­wick­lungs­be­ein­träch­ti­gen­de An­ge­bote er­hal­ten. Da diese Ziel­grup­pe je­doch heute schon in großer An­zahl mit ent­sprech­enden inter­net­fähigen Ge­rät­en aus­ge­stat­tet ist, muss sicher­ge­stellt wer­den, dass ent­sprech­ende An­ge­bote in einem frei zu­gäng­lichen WLAN in­halts­ge­filtert wer­den.

Auch hier irrt die Rietberger Verwaltung bzw. ihre Berater, wie Dr. jur. Dipl.-Inf. Reto Mantz, Richter beim Landgericht Frankfurt am Main, ausführt:

Der Anbieter von WLANs ist nicht “An­biet­er eines ju­gend­ge­fähr­den­den An­ge­bots”, das sind die In­hal­te­an­biet­er. Und die sind Adres­sat­en von ent­sprech­end­en Ju­gend­schutz­pflicht­en. An­sonst­en wäre der pri­va­te DSL-An­schluss zu Hau­se, den die Te­le­kom be­reit­stellt, doch eben­so ille­gal, da er auch kei­nen Ju­gend­schutz­filt­er vor­sieht. De­ment­sprech­end be­steht kei­ne Pflicht für ein­en An­biet­er von In­ter­net­zu­gän­gen, ir­gend­eine Form von Filter vor­zu­sehen. Ganz im Ge­gen­teil kön­nen solche Fil­ter sogar un­zu­läs­sig sein, da sie in rechts­widriger Weise in das im Grund­ge­setz und ein­fach-ge­setz­lich ga­rantier­te Fern­mel­de­ge­heim­nis (Art. 10 GG, §§ 88 ff. TKG) ein­grei­fen kön­nen (s. nur ein­deut­ig OLG Köln, Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11 – Gold­esel; OLG Ham­burg, Urt. v. 21.11.2013 – 5 U 68/10 – 3dl.am).

Naja. Man hätte sich umfassend informieren können, aber in Rietberg war das wohl weniger der Fokus:

Auch die Vertreter des Einzelhandels stehen dem Freifunk-Konzept unter den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen ablehnend gegenüber.

Haben sich jene Vertreter je die Mühe gemacht, eigene Informationen einzuholen? Kaum, denn sachlich falscher kann eine Darstellung nicht sein, und so würde sie auch von keiner unabhängigen Stelle erfolgen.

Auftritt »Pro Wirtschaft GT«:

Da das Thema WLAN einen deutlich wirt­schafts­för­dern­den Aspekt z.B. für Ein­zel­han­del und Gast­stät­ten hat, prüft der­zeit die Pro Wirt­schaft GT als Wirt­schafts­för­der­ungs­ge­sell­schaft des Krei­ses Güters­loh die Mög­lich­keit­en eines rechts­sicheren WLAN-An­ge­botes.

Tja, wie schon geschrieben: Die Freifunk-Initiative Gütersloh, die im gesamten Landkreis seit knapp einem Jahr aktiv ist, bietet genau diese Möglichkeit, mit Rechtssicherheit und minimalen Einmalkosten für den Aufsteller — und prinzipiell ohne Kosten für die Stadt/Gemeinde.

Aber wir können niemanden zu seinem Glück zwing­en; wenn man im Riet­berger Rat ver­alte­ten bzw. fal­schen In­for­ma­tionen Glau­ben schen­ken will, dann ist das eben so.

Riet­ber­ger Bür­ger und Ge­schäfts­leute, die hin­ge­gen im Hier und Jetzt an­ge­kom­men sind, sind herz­lich will­kom­men, auch in Riet­berg die Vi­sion eines Bür­ger­netz­es vor­an­zu­brin­gen!

Rietberg: FUD zur Störerhaftung :(