Am Freitag hat, wie berichtet, der Rat der Stadt Gütersloh den Beschluß des Hauptausschusses vom 15.06. bestätigt. Und jetzt?

Erst einmal gilt es, den Ratsfrauen und -herren zu danken, den politischen Parteien, die diesen Beschluß möglich gemacht haben. Damit sind im Grunde die Anträge von Anfang bzw. Mitte Februar nach nur 6 Monaten Gärzeit endgültig – hoffen wir zumindest – entschieden worden. Und, wie verschiedene Ratsherren und -frauen betonten, ein Zeichen zur Würdigung bürgerschaftlichen Engagements gesetzt worden — denn Freifunk ist und bleibt ein Mitmach-Netz … Beschlossen wurde der Antrag mit den Stimmen von SPD, BfGT, Grünen und Linken, von denen die drei letztgenannten ihn auch initial in Erweiterung eines CDU-Antrages einbrachten. Nein sagte die Bürgermeisterin und ein weiterer Ratsherr, die CDU enthielt sich.

Daß die CDU sich enthalten hat, ist wohl der Tatsache geschuldet, daß sie einen Änderungsantrag einbrachte, der aber nach Sicht der Bürgermeisterin nicht so weitgehend war wie der im HA schon beschlossene Antrag, sodaß über diesen nach Annahme des HA-Antrags durch den Rat nicht mehr abgestimmt wurde:

Änderungsantrag der CDU-Fraktion zu TOP 7 ( Freifunk)

Der Beschlussvorschlag der Verwaltung wird wie folgt geändert:
Ein Bedarf für städtische Investitionen in ein großflächiges, kostenloses Wlan-Angebot wird aufgrund aktueller Marktaktivitäten nicht gesehen. Eine weitergehende Unterstützung der Freifunk-Initiative Gütersloh durch die Stadt erfolgt durch die Verstärkung der Erreichbarkeit von zurzeit ca. 250 Freifunk-Routern. Die Stadt Gütersloh unterstützt das Freifunk-Netz durch die Finanzierung von Routern und sogenannten Repeatern. Sie stellt dafür der Freifunk-Initiative einmlig 5.000 € zur Verfügung.

Begründung:
Die CDU-Ratsfraktion unterstützt das bürgerschaftliche Engagement und deshalb auch gerne die Initiative Freifunk. Wir sind der Meinung, dass es besser ist, die Initiative direkt zu unterstützen, anstatt ein eigenes, städtisches Netz aufzubauen. Letztlich ist es entscheidend, die Menschen zu animieren, Freifunk zu unterstützen. Durch eine direkte und einmalige finanzielle Unterstützung ist es Freifunk möglich, dort wo es notwendig ist, Router und Repeater zu installieren. Das Engagement wird somit am besten unterstützt.

Beschlossen wurde hingegen, was am 15.06. schon beschlossen wurde:

Beschluss:
Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathauses (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z.B. Bürgerbüro) sowie der Kulturräume realisiert werden.
Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylanten – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.

Interessant wird an dieser Stelle es sein, wie sich der vor der Abstimmung von der Bürgermeisterin beanstandete ehemalige Punkt 1 des fraktionsübergreifenden Antrags hier auswirken wird; aus dem Sitzungsprotokoll:

Frau Unger weist darauf hin, dass der Punkt 1 des Antrages beanstandet werden müsse.
„Die Verwaltung wird beauftragt, durch den Netzbetreiber Regio IT den Port 10.000 freizuschalten, um so die Voraussetzung zu schaffen, dass Freifunk Gütersloh an dem Netz der Stadt Gütersloh betrieben werden kann.“

Herr Morkes beantragt, dann über die Punkte 2 und 3 des Antrages abzustimmen.

Bis letzten Dienstag wurde uns nie ein Grund genannt, warum dieses nicht möglich wäre. Dieter Rehfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung der regio iT, ließ, entsprechend angesprochen, dann auf der Podiumsdiskussion im Kreishaus die Katze aus dem Sack. Da es fremdadministrierte Geräte seien, werde man unter keinen Umständen diese Freischaltung vornehmen, da man sonst nicht die Sicherheit des eigenen Netzes garantieren könne. Er lehnte dieses Ansinnen rundweg und kategorisch ab.

Um dies zu verdeutlichen: der Vorsitzende der Geschäftsführung eines kommunalen IT-Dienstleisters sieht sich außer Stande, eine technische Lösung zu schaffen, damit Daten von einem Gerät in Gütersloh sicher durch das, von der Gütersloher Verwaltung angemietete, Weitverkehrsnetz der regio iT zu deren Internetübergabepunkt transportiert werden können. »Sicher« im Sinne von sicher für andere angeschlossene Systeme (»Knöllchensysteme« hingen da dran, Bibliotheken) übrigens.

regio iT stellt ihren Kunden also nur ein bißchen Internet zur Verfügung; es wäre da mal durchaus interessant, in die Verträge zu gucken, denn ein Dienstleister, der es seinem Kunden aus Sicherheitsgründen – für den Dienstleister – verbieten muß, eine VPN-Verbindung aufzubauen, nunja. Professionell ist das nicht.
Richtig komisch wird’s, wenn man die Antwort auf die Frage, wie es denn beim von regio iT nur vertriebenen Produkt free-key der österreichischen IT-Innerebner GmbH sei. Dieses könne »natürlich« an das regio iT-Netz angeschlossen werden, es sei ja ein regio iT-Produkt und würde von regio iT betrieben, so Dieter Rehfeld. Wettbewerbsbehinderung? Sagen wir mal so, wäre ich ein kommerzieller Mitbewerber (und nicht Teil einer Bürgerinitiative, die pragmatische Lösungen bevorzugt), ich würde die Aussperrung von Konkurrenzprodukten durchaus mal prüfen lassen …

Screenshot
Prin­zip des aktuel­len Frei­funk-Auf­baus.
Unsere Freifunk-Firmware schützt die lokale Infrastruktur des Aufstellers gerade dadurch, daß die Freifunk-Nutzer direkt in einen Tunnel ins Freifunknetz gesteckt werden. Die Knoten selber sind zwar über das Freifunknetz erreichbar, haben aber außer einer einfachen Infowebseite und, so vom Benutzer aktiv eingerichtet, ssh zur Fernwartung, keine weiteren Dienste aktiv. Ein Ausbrechen aus dem Tunnel ist technisch nicht möglich, ein Einbrechen über OS-Bugs unseres Wissens ebenfalls nicht; hier greift dann im Zweifel die Open Source-Bewegung, das Betriebssystem OpenWRT/Linux und auch die Freifunk-Erweiterung »Gluon« wird von vielen vielen unabhängigen Programmierern täglich vebessert.

Und Herr Rehfeld möchte uns erklären, daß regio iT nicht sicherstellen könnte, daß ein Freifunk-Knoten über Port 10000 nur mit bestimmten Computern im Internet sprechen kann? Eigentlich ist diese Aussage vom Dienstag dieser Woche rufschädigend.

Wie dem auch sei, solange die regio iT dort mauert, und die Verwaltung sich vom Auftragnehmer (regio iT) vorschreiben läßt, wie sie ihren Zugang zum Internet als Auftraggeber zu nutzen haben – und Freifunk Gütersloh keine andere Möglichkeit bekommt, Rathaus und Theater/Stadthalle (die »Kulturräume« im Beschluß) an das Freifunknetz anzubinden –, wird es in der Tat auf separate DSL-Anschlüsse hinauslaufen.

Und nachdem die Verwaltung der Stadt Gütersloh sich ja vehemend hinter rechtlichen Befürchtungen verschanzt, ist auch nicht davon auszugehen, daß Anfang nächster Woche seitens der Verwaltung der Kontakt gesucht wird — leider.

Seitens Freifunk Gütersloh wäre es wünschenswert, wenn dieser Ratsbeschluß nun endlich zu einer sinnvollen Kooperation zwischen Bürgerinitiative und Verwaltung führte — uns liegt herzlich wenig daran, daß separate DSL-Anschlüsse in städtischen Gebäuden geschaltet werden. Viel interessanter wäre es, könnten wir Stadthalle und Theater per Richtfunk mit dem Rathaus verbinden, und von dort eine Anbindung ans bestehende Netz etablieren. Auch zum Dreieckplatz wäre eine Funkverbindung denkbar. Dies sind dann Einmalkosten und, eher geringe, monatliche Energiekosten. Und, wie die Verwaltung sich per Gutachten bestätigen lassen kann, in der Konstellation »wir als Kommune stellen nur Fläche und Strom, die Infrastruktur betreibt der lokale Freifunk«, ist das Riskio der Inanspruchnahme gleich Null, wie Reto Matz ausführt:

Wenn die Kommune nur Gebäude und Strom zur Verfügung stellt, ist sie kein Access Provider, sondern ein sog. Network Provider. Auch der kann sich auf § 8 TMG berufen (allgemeine Auffassung).
Für den Network Provider ist das aber alles egal. Denn er leitet ja nur Verkehr durch. Tatsächlich purzelt der Verkehr ja erst an anderer Stelle ins Internet, nämlich beim Uplink (ggf. zusätzlich über den Umweg eines VPN). Der Network Provider tritt also nach außen überhaupt nicht auf. Damit ist sein Risiko nicht 0,1% (im Sinne von verschwindend gering), sondern glatt 0.
 
Noch was: Wenn die tatsächliche Administration eines solchen Knotens ein Freifunker macht, ist auch der der Betreiber dieses Knotens im Sinne des TKG, nicht derjenige, der Strom und Ort zur Verfügung stellt. Die Firma Jnyy beispielsweise nutzt Bushaltestellen, um dort ihre WLAN-Hotspots aufzubauen. Trotzdem hat noch niemand daran gedacht, die Verkehrsbetriebe als Störer in Anspruch zu nehmen – das wäre ja auch Quatsch.

Aber, let’s face it: Freifunk mag noch so gute Argumente haben, die lokale Verwaltung wollte der regio iT einen free-key-Deal zukommen lassen und wurde darin wiederholt blockiert. Daher ist von keiner ziel­ori­entier­ten Zu­sam­men­ar­beit aus­zu­gehen, sondern die Ver­wal­tung wird ihre kal­ku­lier­ten Kos­ten re­ali­siert sehen wollen — und der Gü­ters­loher Bür­ger zahlt dop­pelt und drei­fach :( Narf …

Freifunk und Gütersloh: Liebe auf den … nten Blick?