Die Verwaltung der Stadt Gütersloh möchte den Auftrag, Freifunk Gütersloh zu unterstützen, umsetzen, indem sie ein kommerziellen »freies« WLAN aufbauen läßt …
Yepp. Ist wirklich wahr:
Antrag der Fraktionen | Lösungsansatz der Verwaltung |
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CDU-Fraktion: Die Verwaltung möge prüfen, wie die Initiative Freifunk Gütersloh in ihren Bestrebungen, ein stadtweites, drahtloses Netz aufzubauen, unterstützt werden kann. Fraktionen von BfGT, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE:
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Beschlussvorschlag: Zur Einführung eines kostenlosen Wlan-Angebotes im Innenstadtbereich soll ein geeigneter Partner gefunden werden. In Kooperation mit der Geschäftsführung der Gütersloh Marketing GmbH sollen in Zusammenarbeit mit den Einzelhändlern die Möglichkeiten einer kostenlosen Wlan-Nutzung in der Innenstadt sowie die Chancen für den innerstädtischen Einzelhandel erörtert werden. Zur Umsetzung dieser Maßnahme sind Haushaltsmittel von bis zu 15.000 € zur Verfügung zu stellen. Angestrebt werden sollten die Abdeckung des im Anhang dargestellten Innenstadtbereichs sowie die Versorgung des Wartebereichs im Bürgerbüro. […] Um den o.g. Aspekten Rechnung zu tragen, empfiehlt die Verwaltung anstelle einer Unterstützung der Freifunkinitiative das Angebot eines kostenlosen Wlan unter bestimmten Rahmenbedingungen. Hier kommt beispielhaft das Produkt frey-key der Fa. IT-Innerebner aus Innsbruck, welches exklusiv über die regio iT vertrieben wird, in Betracht. […] |
Ich gebe zu, es ist schwer, die marginalen Unterschiede zwischen der Unterstützung einer lokalen Bürgerinitiative und der Beauftragung eines externen Dienstleisters aus einem vorher nicht existenten Budgets zu erkennen. Oder, in Nobby Morkes‘ Worten:
Wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht, zeigt uns die Stadtverwaltung mit einer Vorlage zum Freifunk-Antrag. Unglaublich wie die Verwaltung aus einfachen Anträgen, deren Umsetzung minimale Kosten erzeugen würde, einen Staatsakt macht, der nun 15.000 € kosten soll.
Aber nehmen wir die einzelnen Argumentationspunkte der Verwaltung einmal näher unter die Lupe:
Aussage Verwaltung | Realität |
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Recherchen bei anderen Kommunen (z.B. Aalen, Kevelaer, Unna, Hennef, Magdeburg, Warendorf, Lippstadt, etc.) haben ergeben, dass aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen nicht die Verwaltungen selbst als Betreiber von freiem Wlan auftreten, sondern es grundsätzlich Konstrukte mit Tochterfirmen, GmbHs, Energieversorgern, Providern oder allgemeinen Marktanbietern gibt. | Die Stadt Gütersloh muß nicht als Betreiber von freiem WLAN auftreten; diese Konstellation hat die Verwaltung selbst gewählt. Ein Ansatz analog Arnsberg, d. h. z. B. Gütersloh Stadtmarketing bewegt Geschäftsinhaber, Freifunk-Router aufzustellen oder sponsort diese gar, ist denkbar. Betrieben wird das Freifunk-Netz in jedem Fall technisch und rechtlich von der Freifunk-Initiative Gütersloh.
Angefragt war zudem weniger, daß die Stadt Gütersloh selber Freifunk-Router aufstellt, sondern daß sie dieses in erster Line ermöglicht und aktiv unterstützt. Beispielweise, indem in/an städtischen Gebäuden Freifunk-Router installiert werden dürfen und der Energieverbrauch von der Stadt übernommen wird. |
Aussage Verwaltung | Realität |
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Nach Information der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) ist die Befugnis einer Stadt zur Betätigung auf dem Gebiet des Freifunks rechtlich vor dem Hintergrund des § 107 GO NRW (wirtschaftliche Betätigung) fraglich. | Es liegt nicht im Interesse der Freifunk-Initiative Gütersloh, daß die Stadt Gütersloh die Initiative annektiert. Da die Bereitstellung von z. B. Dächern städtischer Gebäude inkl. Überlassung eines Stromanschlusses dort in anderen Kommunen in NRW machbar ist, erscheint diese Argumentation nicht schlüssig. |
Aussage Verwaltung | Realität |
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Störerhaftung (Eine Nebelkerze. Es wird lang und breit erklärt, daß es dieses Konstrukt in Deutschland gibt; leider wurde vergessen darauf hinzuweisen, daß dies für Freifunk Gütersloh schlicht nicht gilt. Dabei ist dies ein expliziter Punkt im Ergebnisprotokoll des Treffens zwischen Verwaltung und Freifunk Gütersoh, siehe rechts.) |
Zitat aus dem Besprechungsprotokoll zwischen der städtischen Verwaltung und Freifunk Gütersloh:
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Aussage Verwaltung | Realität |
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Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes vom 17.02.2015 soll für die Betreiber von drahtlosen lokalen Netzen Rechtssicherheit in Bezug auf die Haftungsfragen hergestellt werden. Die durch die Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh gegebene Betriebsweise wäre bei gesetzlicher Umsetzung des Referentenentwurf es nicht zulässig. | Die Kanzlei Feuerhake hat eine juristische Beurteilung u. a. des Referentenentwurfs in Bezug auf Freifunk publiziert, und sie kommt zu folgendem Ergebnis:
Davon abgesehen, legte man gleiche Maßstäbe an, müßte die Verwaltung zum Schluß kommen, daß das später von ihr präferierte regioIT-Produkt »free-key« genauso »nicht zulässig« wäre. Äpfel und Birnen? Abschließend sei exemplarisch auf die (negativ ausfallende) Stellungnahme der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) zum Gesetzentwurf hingewiesen. |
Aussage Verwaltung | Realität |
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Der Arbeitskreis IT des StGB NRW empfiehlt dringend die Verwendung einer rechtssicheren Lösung, bei der sich die Benutzer registrieren bzw. anmelden müssen, um den heutigen und erwarteten künftigen gesetzlichen Anforderungen zu genügen. | Freifunk Gütersloh ist eine solche legale und rechtssichere Lösung.
Es gibt Stand heute gerade keine Pflicht, daß Nutzer sich für den Netzzugang registrieren oder anmelden müssen. Die Nutzung des Freifunk-Netzes ist rechtssicher und gechieht im Rahmen der geltenden Gesetze, mit so wenig Verkehrsdatenanfall wie möglich. Die Wichtigkeit einer anonymen Öffentlichkeit für die Demokratie hat auch der Gesetzgeber erkannt und die Diensteanbieter sogar dazu verpflichtet, anonymen Zugang bereitzustellen, siehe §13, Absatz 6 des Telemediengesetzes:
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Aussage Verwaltung | Realität |
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Die KGSt spricht auf dem Fachforum am 24.03.2015 in Dortmund die dringende Empfehlung an die Kommunen aus, aus rechtlichen Gründen keine Bestrebungen in Richtung des Freifunks zu verfolgen. Es wird angeraten, sich des Marktes zu bedienen, dort gäbe es Anbieter rechtssicherer und praxiserprobter Lösungen. Angeraten wird konkret die Kooperation von z.B. Stadtwerke, Netzgesellschaft, Stadtmarketing und einem Anbieter einer kommerziellen Lösung, so dass sich insbesondere haftungsrechtliche, vergaberechtliche und kommunalrechtliche Fragen für die Verwaltung nicht stellen. | Ein bemerkenswerter Hinweis, in mehrerer Hinsicht. Einerseits ist dieses Ergebnis nicht der Öffentlichkeit zugänglich, obwohl die KGSt von Städten, Gemeinden und Kreisen gemeinsam getragen, und damit aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Zum anderen ist die KGSt sicher keine objektive oder gar neutrale Instanz, findet sich doch »Dieter Rehfeld, Geschäftsführer, regio IT Aachen GmbH« 2014 im Gutachterausschuss der KGst und regio IT wiederum begrüßt im Geschäftsbericht 2006 den »regio iT-Neukunden KGSt«.
Es ist mithin wenig verwunderlich, wenn die KGSt statt auf Bürgerinitiativen wie Freifunk Gütersloh, auf Produkte ihr nahestehender kommunaler Dienstleister verweist. Oder würde jemand ernsthaft eine ADAC-Studie über Automobilclubs als objektiv einstufen? |
Aussage Verwaltung | Realität |
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Gem. § 5 JMStV (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) dürfen Minderjährige keinen Zugriff auf entwicklungsbeeinträchtigende Angebote erhalten. Da diese Zielgruppe jedoch heute schon in großer Anzahl mit entsprechenden internetfähigen Geräten ausgestattet ist, muss sichergestellt werden, dass entsprechende Angebote in einem frei zugänglichen Wlan inhaltsgefiltert werden. Dies ist bei Freifunk nicht der Fall. |
Treffer. Der einzige Punkt in der Argumentation der Verwaltung, den wir nicht entkräften können: Freifunk ist ein ungefilterter Netzzugang.
Aber warum ist das so? Zum einen möchte ich auf den exzellenten Artikel der Kollegen aus Göttingen zu dem Thema verweisen. Zum anderen sehen wir dies nicht als technisches Problem, sondern ein soziales. Eine Filterung wird nur den Ansporn wecken, diese auszutricksen. Darüber, daß man im Internet nicht nur Biena Maja-Geschichvten finden kann, sollten Eltern vor der Aushändigung eines Smartphones mit ihren Kindern gesprochen haben. Oder auf dem Endgerät technische Vorkehrungen getroffen, denn das WLAN des Schulfreundes ist ggf. auch nicht gefiltert, genausowenig wie es der Zugang via Mobilfunk in der Regel ist … Kurzum: wir setzen auf Medienkompetenz, auch bei Jugendlichen. Und auf Aufklärung und Anleitung zur Netznutzung durch das Elternhaus. Wir halten nichts von Netzsperren, die im Zweifel per netzexternem Proxy in Sekundenbruchteilen umgangen werden. |
Fazit: Daß es einfacher für die Verwaltung ist, es manifestierte sich ohne ihr zutun ein freies WLAN in Gütersloh, ist unbestritten — und den Grundstock haben wir Gütersloher Freifunker ja schon gelegt, mit mittlerweile über 700 gleichzeitig eingebuchten Geräten am Tag.
Aber der Auftrag der Fraktionen lag ja gerade darin, daß die Verwaltung sich die »haftungs-, vergabe- und kommunalrechtlichen Fragen« stellt, um zu ermitteln, wie, Zitat aus dem CDU-Antrag, »die Initiative Freifunk Gütersloh in ihren Bestrebungen, ein stadtweites, drahtloses Netz aufzubauen, unterstützt werden kann«.
»Geht gar nicht, weil …« wäre eine Antwort auf diese Frage.
»Diese Möglichkeiten bestehen: …« hätten zumindest wir erwartet, denn in anderen Kommunen in NRW geht dies ja auch.
Ein »kauft dieses Produnkt dort ein« ist aus unserer Sicht allerdings komplett am am Thema vorbei argumentiert.
Wir Gütersloher Freifunker werden in jedem Falle weitermachen und weitere Standorte anzuwerben versuchen, ebenso werden wir langsam »in die Luft« gehen und an einem Funkbackbone nach Paderborner und Berliner Vorbild arbeiten. Hierzu wäre die Unterstützung durch die Stadt Güterloh mehr als willkommen, und unsere Hoffnung ist ja, daß die antragstellenden Fraktionen die Verwaltung mit dieser Nicht-Lösung der gestellten Aufgabe nicht gewähren lassen.
In diesem Sinne, als Aufruf an alle Gütersloher: »Sei mit dabei und funk‘ einfach frei!«
(Text: CC-BY-NC)
Zum Thema § 5 JMStV (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) ist mir hier die Haftung nicht ganz klar. Seit wann sind Teilnehmernetzbetreiber dazu verpflichtet zu filtern? Das gibt es anders als in England stand heute in Deutschland nicht dachte ich. Wir als Internetprovider filtern ja auch einen Kabelgebundenen Anschluss nicht. Dazu kommt das auch eine T-Mobile in ihrem Mobile-Data Netzwerk nicht filtert. D.h. der Zugang zu potentiell gefilterten Inhalte ist durch abschalten des WLANs und Wechseln ins LTE/UMTS beliebig zu umgehen.
Nach meinem Verständniss sind hier in Deutschland die Inhalteanbieter verpflichtet eine FSK18 Prüfung vorzunehmen (PostIdent etc).
Flo
Freifunk muss in Gütersloh bleiben!
Bitte macht weiter so, denn ihr habt wirklich potente Unterstützer aus dem großen Gütersloher Unternehmen im Internet Business gewonnen:
http://www.mehr-fuer-guetersloh.de/freifunk-muss-bleiben/