In der Diskussion zur Unterstützung der Freifunk-Initiative durch die Stadt Gütersloh findet der Showdown am Freitag im Rat statt.

Rekapitulieren wir: Die Kreistagsfraktion der SPD beantragte am 11.02. (PDF):

Der Kreis Gütersloh stellt seine öffentlichen Gebäude zur Installierung von Freifunkknoten zur Verfügung. So entstehen WLAN Accesspoints für den Aufbau von freiem WLAN.

Leider wurde im Verwaltungsprozeß auch dieses einfache Anliegen umgedeutet und in der Sitzung des Kreisausschusses vom 08.06. (!!) gemäß Mitteilungsvorlage 4084 wie folgt geändert:

Die Verwaltung prüft die Installierung von Freifunkknoten an seinen öffentlichen Gebäuden, um WLAN Accesspoints für den Aufbau vom freien WLAN zu schaffen.

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?!
Und da das Internet »für uns alle Neuland« sei, wie die Kanzlerin uns wissen lies, mußte natürlich ein Gutachten her:

Nicht eindeutig geklärt ist die recht­liche Ein­schätz­ung, wie sich die Haftungs­frage für den­je­ni­gen dar­stellt, der den Frei­funkern einen Zu­gang er­möglicht. Vor die­sem Hinter­grund wurde ver­ein­bart, dass der Kreis – stell­ver­tretend für die be­teiligten Kommunen im Kreis – eine recht­liche Prüf­ung in Auf­trag gibt und die Kos­ten dafür über­nehmen wird. Nach­folgend auf­ge­führte Fragen sollen in dem Gut­achten be­ant­wortet werden:

Wie sind die Rechtsfolgen, wenn:

  1. […] Eine Kommune oder eine mehr­heitlich kommunale Ge­sell­schaft die Frei­funk­ini­tiative unter­stützt, in­dem kom­mu­nale Ge­bäude für das An­brin­gen von Routern (incl. Strom-, Tele­fon­an­schluss) oder anderen tech­nischen Ein­rich­tungen zur Ver­fügung stellt?
  2. […]

Ganz allgemein wäre es ja durchaus zielführend, gäbe es ein Gutachten; allerdings gibt’s davon auch schon etliche — in denen Befürworter keine Probleme sehen und Skeptiker von Klagewellen bis zum Ende des Abendslandes quasi alles als möglich erachten. Während also z. B. das Land(!) Schleswig-Holstein in zunächst drei Städten Landesimmobilien zum Angebot eines freien öffentlichen drahtlosen Internetzugangs (WLAN) zur Verfügung stellen will, braucht man im Kreis Gütersloh ein weiteres Gutachten. Naja, ist ja nicht mein Gel… oops.

Leider wurde aus dem reinen »stellt seine öffentlichen Gebäude zur Installierung von Freifunkknoten zur Verfügung« (SPD-Antrag) ein »stellt seine öffentlichen Gebäude zum Anbringen von Routern (incl. Strom-, Telefonanschluss) oder anderen technischen Einrichtungen zur Verfügung«.

Daß dies gar nicht unsere Primärintention ist, haben wir schon dargelegt.

Das Ziel jedes Freifunk-Netzes ist es, ein eigenständiges, funk­basiertes Netz zu sein, in dem Kommunikation frei stattfinden kann. Dieses soll auch einen Übergang in andere Netze, auch zum Internet, haben, aber Freifunk ist mehr als nur ein weiterer Internet-Hotspot-Anbieter.

Es ist zu hoffen, daß die antragstellenden Fraktionen im Gütersloher Rat wie auch im Kreistag dies berücksichtigen in bei den anstehenden Abstimmungen über ihre jeweiligen Anträge.
Denn das vom Kreis bestellte Gutachten, welches man auch der Freifunk-Initiative Gütersloh freundlicherweise zur Verfügung stellte (Verlinkung wird nachgereicht, sobald es veröffentlicht wurde), stellt fest, daß dieses Ansinnen – Freifunk-Systeme auf kommunalen Gebäuden zwecks Aufbau eines Funk-Backbones – rechtlich unbedenklich ist. Ausgangslage der »Variante 1«:

Die Kommune oder eine kommunale Gesellschaft stellt lediglich ein Gebäude (inclusive Strom- und Internetanschluss) zur Verfügung, an dem die Freifunk Initiative einen Router anbringt und diesen selbst betreibt – Verbindung dieses Routers mittels VPN-Verbindung mit dem Freifunkrouternetz

Über die unglückliche Verquickung von Bereitstellug von Platz und Strom mit einem Internet­zugang siehe oben; aber zu der Fragestellung heißt es im Gutachten (lokale Hervorhebungen):

In Variante Nr. 1 betreibt die Freifunk Initiative den Router an einem kommunalen Gebäude, über das Strom und Internetanschluss zur Verfügung gestellt wird und leitet die Verbindung mittels eines VPN-Tunnels über den Freifunk-Server. Das Pro­vider-Privileg des „Frei­funk-Ver­eins“ schützt auch die Frei­funk Ini­tia­tive re­spek­tive den Da­ten­ver­kehr des Routers, solange keine Vor­rats­da­ten­speicherung be­schlossen ist. Die Gefahr der In­an­spruchnahme für die Kommune oder die kommunale Ge­sell­schaft ist damit ver­schwin­dend gering, aber eben nicht in Gänze aus­zu­schließen. Denn der Internetanschluss stellt nach wertender Betrachtung zwar nur eine unterordnete aber so doch willentliche und adäquat-kausale Mitwirkungshandlung für potentielle Rechtsverletzung über den Freifunk-Router dar. Um folglich das Risiko einer Inanspruchnahme des Kreises weiter zu minimieren, sollte eine vertragliche Zusicherung und Regelung mit der Freifunk-Initiative Gütersloh getroffen werden, wonach alleiniger Betreiber des WLAN-Knotens der Aufsteller des Freifunk-Routers ist und dieser die Rechtskonformität des WLAN-Knotens zu gewährleisten hat. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Inanspruchnahme des Kreises könnte zusätzlich eine Einstandspflicht der Freifunk-Initiative Gütersloh für etwaig entstehende Kosten (Abmahnkosten etc.) vereinbart werden.

Streichen wir die Bereitstellung eines Internetzuganges, entfallen die sowieso nur als un­wahr­schein­lich be­zeich­neten Vor­be­hal­te; mal davon ab­ge­sehen, daß eine Rück­ver­fol­gung des ge­nutzten Knotens aus tech­nischen Grün­den gar nicht möglich ist.

Die Diskussion des Gutachtens mit dem Juristen Reto Mantz ergab u. a. folgendes:

Wenn die Kommune nur Gebäude und Strom zur Verfügung stellt, ist sie kein Access Provider, sondern ein sog. Network Provider. Auch der kann sich auf § 8 TMG berufen (allgemeine Auffassung).
Für den Network Provider ist das aber alles egal. Denn er leitet ja nur Verkehr durch. Tatsächlich purzelt der Verkehr ja erst an anderer Stelle ins Internet, nämlich beim Uplink (ggf. zusätzlich über den Umweg eines VPN). Der Network Provider tritt also nach außen überhaupt nicht auf. Damit ist sein Risiko nicht 0,1% (im Sinne von verschwindend gering), sondern glatt 0.
 
Außerdem ist bisher auch noch niemand auf die Idee gekommen, den DeCIX als Störer in Anspruch zu nehmen, oder Level3 oder Cogent oder die ganzen reinen Network Provider, die es gibt. Die sind so weit weg von den Inhalten, dass sie auch im Grunde nichts mehr machen können. Und nichts anderes ist der reine Backbone-Knoten auf dem Dach der Gemeinde.
 
Noch was: Wenn die tatsächliche Administration eines solchen Knotens ein Freifunker macht, ist auch der der Betreiber dieses Knotens im Sinne des TKG, nicht derjenige, der Strom und Ort zur Verfügung stellt. Die Firma XXXX beispielsweise nutzt Bushaltestellen, um dort ihre WLAN-Hotspots aufzubauen. Trotzdem hat noch niemand daran gedacht, die Verkehrsbetriebe als Störer in Anspruch zu nehmen – das wäre ja auch Quatsch

Also alles gut? Weit gefehlt :-(

Die Verwaltung der Stadt Gütersloh bleibt bei ihrer grundlegenden Ablehnung der Freifunk-Initiative, und sie hat sich das dann auch gleich mal schön gerechnet in der Vorlage 48/2015 2. Erg.:

Beschlussvorschlag:
Ein Bedarf für städtische In­ves­ti­tionen in ein groß­flächiges, kosten­loses Wlan-An­gebot wird auf­grund aktueller Markt­ak­ti­vitäten nicht ge­sehen. Eine weiter­gehende Unter­stützung der Frei­funk­ini­tiative Güters­loh durch die Stadt er­folgt nicht. Punk­tuell wird ein durch die Stadt finan­zier­tes, kosten­loses Wlan an­gebo­ten (z. B. in den Flücht­lings­not­un­ter­künf­ten und in Teil­be­reichen des Rat­hauses).

Städtische Investionen? Zur Erinnerung, der Beschluß des Hauptausschusses vom 15.06. lautete:

Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathauses (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z. B. Bürgerbüro) sowie der Kulturräume realisiert werden. Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylanten – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.

Es war von keinen Investitionen die Rede. Wieder einmal nicht.

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Frei­funk-Installation aus Sicht der Güters­loher Ver­waltung
Aber da haben dann auch die Ratsdamen und -herren die Rechnung, wieder einmal, ohne die Verwaltung gemacht — denn »pro Hotspot [würden] Einmalkosten von ca. 700€ sowie laufende jährliche Kosten von 300 € anfallen«. Das nenne ich mal sportlich, das würde ja heißen, die 300 aktiven Freifunk-Knoten im Landkreis sorgten für einen Anstieg des Konsums im Kreis von 90.000 EUR im Jahr — 19% davon, also rd. 17.000 EUR, entfiele alleine auf die Mehrwertsteuer, die dem Staat zu Gute käme. Da könnte man wenigstens mal freundliche Worte aus der Verwaltung erwarten ;)

Aber natürlich ist das alles etwas an den Haaren her­bei­ge­zo­gen. Die Verwaltung geht davon aus, daß zu jedem Freifunk-Knoten ein separater, dedizierter Internetanschluß zu rd. 25 EUR/Monat gemietet werden muß — und schwupps kostet ein Freifunk-Knoten 300 EUR im Jahr. Daß statt des dedizierten Anschlusses einfach der vorhandene, weitaus leistungsfähigere, städtische Netzzugang kostenneutral genutzt werden könnte, übergeht die Verwaltung stillschweigend. Genauso, daß statt eines lokalen Internetzuganges eine Verbindung an das Freifunk-Netz per Funk denkbar wäre — zu dann laufenden Kosten in Höhe des Energieverbrauchs, den die Verwaltung selbst mit »0,50 € p. a.«, also pro Jahr, angibt … Was, nebenbei, mindestens um den Faktor 10 wiederum zu gering ist; heise.de hat ausgemessen, daß unser Freifunk-Standard­modell ca. 5,70 Euro (bei 26 Cent/kWh und Dauerbetrieb) pro Jahr kostet und das sind auch die von uns immer wieder (auf »ca. 8-10 EUR/Jahr« aufgerundet) kommunizierten Werte.

Was wir nicht wegdiskutieren können, sind die lokalen Installationskosten; ob die »ca. 500 €« hier allerdings gerechtfertigt sind, ist fraglich: Normalerweise verfügen Bürogebäude über eine strukturierte Verkabelung, sodaß keine neuen Kabel in den Räumen oder Decken gezogen werden müssen, wenn ein weiteres Gerät Netzzugang benötigt. Und in einer Notunterkunfts-Turnhalle kann man Geräte auch sicher und dennoch kostengünstig anbringen, ohne das halbe Gebäude umbauen zu müssen. Theoretisch; Vorschläge unsererseits wurden ja nie abgefragt.

Aber nun gut, vielleicht ist der Land­kreis ja etwas fort­schritt­licher als die Güters­loher Stadt­ver­walt­ung, bei der offen­sicht­lich Hopfen und Malz ver­loren ist; immerhin, wie man aus der Beschlußvorlage auch entnehmen kann, war die Verwaltung nicht untätig und hat mal eben Fakten geschaffen:

Die Kulturräume sind mittlerweile mit einem kostenlosen Wlan-Angebot, räumlich und zeitlich begrenzt und nach erfolgter Registrierung nutzbar, ausgestattet.

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SSID ›Public‹ am The­ater dur­ch ei­nen An­bie­ter aus dem asi­a­tisch-pa­zi­fi­schen Raum?
Aha? Und das ging ganz ohne Haushaltsmittel? Sehr dubios. Es wäre wünschenswert, brächten die Ratsdamen und -herren per Anfrage hier Licht ins Dunkel, aus welchem Topf welche einmaligen und wiederholt anfallenden Mittel in welcher Höhe finanziert werden — denn eine Freigabe von Haushaltsmitteln für eine WLAN-Versorgung u. a. des Theaters lag ja eigentlich nicht vor?

Aber immerhin, die Notunterkünfte will man nun selbst versorgen:

Teilbereiche des Rathauses sollen ebenso folgen, wie die Versorgung der Flücht­lings­not­unter­künfte.

Es wird eine Krüppellösung bleiben – die z. B. am Theater illegal die dem asiatisch-pazifischen Raum zugeordnete IP-Adresse 1.1.1.1 mißbraucht –, aber für die Flüchtlinge dürfte jedes kostenlose In­ter­net­an­gebot besser sein als keines, insofern konnte zumindest etwas bewegt werden.

Aber daß die Verwaltung der Stadt Gütersloh, so sehr auf Rechtssicherheit bedacht, die klar illegale Nutzung fremder Internet-Adressbereiche bei von ihr propagierten WLAN-Lösungen unterstützt, der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh hingegen das Schwarze unter dem Nagel nicht gönnt, entlarvt die Winkelzüge der Verwaltung — was man nicht selbst steuern kann, ist eben ›bäh‹ …

Gespannt schauen wir also am Freitag auf die Ratsfraktionen von CDU und BfGT/Grünen/Linken, ob sie das Primat der Politik gegen diese Verwaltung durch­zu­set­zen in der Lage sein werden — oder, als weitere Trophäe, an deren Wand enden.

Von Milchmädchen und Bedenkenträgern