Ein Freifunker aus Herzebrock-Clarholz hat uns auf eine bedrohliche Entwicklung auf Kreis­ebene aufmerksam gemacht: Die Ver­wal­tung­en klün­geln dem An­schein nach mit regio iT, um Frei­funk auf Kreis­ebene aus­zubooten.

Offensichtlich hat auch in Herzebrock-Clarholz die CDU einen Antrag gestellt, für freies WLAN ggf. mit Freifunk Gütersloh zusammenzuarbeiten; leider findet sich der Wortlaut nicht online, sodaß nur aus dem Ratsinfosystem zitiert werden kann:

Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen hat die CDU-Fraktion einen Antrag für ein freies Inter­net an wichtigen öffent­lichen Plätzen – ins­be­sondere Paul-Craemer-Platz und Markt­platz Clarholz – gestellt. Dazu sollte auch Kontakt mit der Gütersloher Frei­funk­ini­tiati­ve aufgenommen werden.

Auch in Herzebrock-Clarholz ist interessant, was die Verwaltung daraus macht:

Der­artige Anträge sind zwischen­zeit­lich in etlichen Städten und Ge­mein­den des Kreises Güters­loh ge­stellt wor­den, sodass es sinnvoll er­scheint, eine kreis­ein­heit­lich ab­ge­stimmte Lösung an­zu­streben. Eine solche Ab­stimmung unter den Kommunen bietet die Wirt­schafts­för­der­ungs­ge­sell­schaft des Kreises Güters­loh, prowiGT, an. Eine E-Mail vom Geschäfts­führer, Herrn Pförtner, ist dieser Vor­lage als Anlage 1 bei­ge­fügt. Des Wei­teren ist als An­lage 2 die in der E-Mail er­wähnte Vor­lage für den Haupt­aus­schuss und den Rat der Stadt Güters­loh bei­ge­fügt, in der um­fass­end über den Sach­ver­halt – ins­be­sondere haftungs­recht­liche Fragen – in­for­miert wird.
 
Als Anlage 3 ist das Konzept „free-key“ für die Gemeinde Herzebrock-Clarholz beigefügt. Hierbei handelt es sich um ein Produkt der regio iT und ihrem Partner, der Firma IT-Inner­ebner aus Inns­bruck. Dieses Kon­zept erfüllt die ge­setz­lichen Vor­gaben zum Jugend­schutz und zur Haftung, ist aber – anders als bei In­stallation eines Netzes durch die Frei­funk­initiative – mit Kosten verbunden.
 
Die Verwaltung steht in Kontakt mit anderen Städten und Gemeinden und strebt ein ab­ge­stimmtes Kon­zept an.
 
Bei dem Konzept der regio iT ist mit Kosten von ca. 15.000 € zu rechnen. Haus­halts­mittel stehen derzeit nicht zur Ver­fügung.

In Gütersloh haben die Fraktionen die Vorlage der Verwaltung, statt mit uns, der Freifunk-Initiative, zusammenzuarbeiten, das regio iT-Produkt »free-key« zu kaufen, abgeschmettert und, gemäß Antrag der Bürger für Gütersloh und der Grünen, das Thema auf die 7. Sitzung des Hauptausschuss (Mo, 15.06.2015 17:00 Uhr) vertagt.

Leider geht aus dem Ratsinfosystem Herzebrock-Clarholz‘ auch am Donnerstag morgen nicht hervor, was am Dienstag dort mit diesem ›interessanten‹ Vorschlag der dortigen Verwaltung geschehen ist.

Freifunk: Fakten

Störerhaftung: »Wenn jemand für die Gütersloher Innenstadt ein öffentliches WLAN einrichtet, dann ist er auf jeden Fall nach § 8 TMG privilegiert. Problem gelöst.« (Dr. jur. Dipl.-Inf. Reto Mantz, Richter beim Landgericht Frankfurt am Main, in einem Blogbeitrag zum Schriftstück »48/2015 1. Erg.« der Gütersloher Verwaltung, auf welches sich auch die Verwaltung in Herzebrock-Clarholz stützt.)
 
Jugendschutz: »Es wird hier über­sehen, daß An­biet­er ju­gend­ge­fähr­den­der An­ge­bote stets Zu­gangs­sicherun­gen und Al­ters­kon­trol­len vor­nehm­en müs­sen. Diese Pflicht der Be­treib­er der­ar­tiger In­ter­net­seiten ent­fällt nicht plötz­lich bei Frei­funk. Der Be­treiber eines Offenen W-LAN Netz­es kann es hin­ge­gen nicht um­fas­send schaf­fen, In­ter­net­seit­en zu sper­ren, die gegen diese Zu­gangs­sicher­ung bei ju­gend­ge­fähr­den­der In­halte ver­stoßen.« (RAin Feuerhake in einem ebenfalls ausführlichen Blogbeitrag, hier direkt bezugnehmend auf das Schriftstück »48/2015 1. Erg.« der Gütersloher Verwaltung.)

Quintessenz: Freifunk ist legal, es gibt keine Rechtunsicherheit und das Angebot entspricht auch allen geltenden Anforderungen an den Jugendschutz.

Verwaltungsbeharrlichkeit

Wie aus den Unterlagen aus Herzebrock-Clarholz aber klar wird, ignoriert man in den Verwaltungen einerseits diese Fakten — immerhin bestätigt die Verwaltung Herzebrock-Clarholz, daß Freifunk Gütersloh »die ge­setz­lichen Vor­gaben zum Jugend­schutz und zur Haftung« erfüllt —, um andererseits einen österreichischen Anbieter über die regio iT im Landkreis zum Zuge kommen zu lassen.

Schon komisch. Zwar stehen »Haus­halts­mittel derzeit nicht zur Ver­fügung«, aber dennoch suchen die Verwaltungen im Landkreis den Schulterschluß, um ein fragwürdiges Angebot eines österreichischen Anbieters als »ab­ge­stimmtes Kon­zept« durchzudrücken.

Spannend: Auch die »pro Wirtschaft GT GmbH« stellt fest:

Das Thema freies WLAN hat einen deutlich wirtschaftsfördernden Aspekt, z.B. für den Handel, die Hotellerie etc.. Insofern wäre es nur zu begrüßen, wenn im gesamten Kreisgebiet eine einheitliche Lösung angestrebt würde.

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800 Endgeräte im Peak, über 400 im Mittel …
Nun: Die Freifunk-Initiative Gütersloh, die im gesamten Landkreis seit knapp einem Jahr aktiv ist, bietet genau diese Möglichkeit, mit Rechtssicherheit und minimalen Einmalkosten für den Aufsteller — und ohne jegliche Kosten für die Stadt/Gemeinde.
 
Über 250 Knotenpunkte im Kreigebiet existieren mittlerweile, im Mittel 400 Endgeräte sind im Freifunknetz im Kreis gleichzeitig angemeldet, werktags im Peak über 800 — und das, ohne auch nur ein freundliches Wort einer Verwaltung bekommen zu haben (aus­ge­nom­men die Ko­opera­tion mit dem Stadt­werk Rheda-Wieden­brück), von materiellen Hilfen ganz zu schweigen.

Natürlich würde es unsere Arbeit erleichtern, könnten wir z. B. von Dach des Gütersloher Rathauses den Parkplatz und, per Richtfunk, Knoten in der Berliner Straße erreichen. Aber wir haben schon heute, ohne jegliche Beteiligung der Stadt, sei es organisatorisch oder finanziell, große Teile der Fußgängerzone abgedeckt, wie dieser Videobeitrag Anke Knopps zeigt:

Insofern fragt man sich als Freifunker un­will­kür­lich, warum die Ver­wal­tung­en im Kreis an­schei­nend krampf­haft nach Wegen suchen, nicht ein­ge­plan­te Mittel über die regio iT einem aus­län­dischen Un­ter­neh­men in den Rachen zu werf­en. Einen Mehr­wert bietet »free-key« nicht, wohl aber wer­den dort per­so­nen­be­zo­gene Daten un­nötiger­weise ge­sammelt.

Wir können nur alle Bürger des Kreises auf­for­dern, aktiv auf ihre Re­prä­sen­tan­ten in den Räten zu­zu­gehen und auf dies­es Vor­haben der Ver­walt­ungen hin­zu­weisen.

Anmerkung des Verfassers: Initial wurde dieser Beitrag unter der Überschrift »Freifunk im Landkreis: die Verwaltungsintrige läuft auf Hochtouren« publiziert. In Gesprächen am Rande des Wireless Community Weekends kristiallisierte sich heraus, daß es sich nicht zwingend um eine gelenkte Aktion der Verwaltungen gegen Freifunk handeln muß. Dem­ent­sprechend wurde die For­mu­lier­ung entschärft; inhaltlich bleibt es unverständlich, warum auf Anträge der Fraktionen, mit der lokalen Freifunk-Initiative zusammenzuarbeiten, ein ums andere Mal mit veralteten Sachständen und der Produktvorstellung »free-key« reagiert wird.
Freifunk im Landkreis: Wundersame Wege

Ein Kommentar zu „Freifunk im Landkreis: Wundersame Wege

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