In der vergangenen Woche wurde viel geschrieben, nachdem – endlich – in Berlin bzgl. »Störerhaftung« beide Koalitionspartner sich geeinigt haben sollen. Was bedeutet dies für Freifunk im allgemeinen, Freifunk vor Ort im besonderen — und wird Freifunk damit nicht überflüssig wie ein Kropf?
Status Quo
Erst einmal: jeder Schritt zu mehr Rechtssicherheit im Bereich WLAN ist zu begrüßen. Wozu die bisherige Situation geführt hat: einerseits zur Stärkung der Freifunk-Bewegung in einem bisher nicht dagewesenen Maße: Zusammenschluß zu größeren Organisationen, Gründung von lokalen »Freifunk-Vereinen«, Gründung des Freifunk Rheinland e. V. als RIPE-Mitglied und damit als ein Internet-Service-Provider (ISP) auf identischem – rechtlichen – Niveau wie o2, Deutsche Telekom oder Vodafone. Andererseits zur Gründung von Nischenanbietern, die aus der deutschen Besonderheit im Bereich WLAN Profit schlagen, indem der Datenverkehr per getunnelter Verbindung an diese Anbieter umgeleitet wird — beispielsweise seien Hotsplots, WiFi-Hero, FairSpot oder die österreichische, dank regio-IT-Protektorat auch im Kreis Gütersloh aktive, free-key zu nennen.
Es ist also mithin in Deutschland schon heute nicht wirklich schwierig, einen »WLAN-Zugang« in seinem Geschäft oder auf einem öffentlichen Platz anzubieten; wegen bestehender Rechtsunsicherheiten will aber eigentlich jeder das juristische Risiko auf einen Dritten abwälzen. Dies lassen sich jene Anbieter typischerweise ab rund 10 EUR/Monat (je Accesspoint, z. T. zzgl. Hardwarekosten und/oder »Anschlußgebühren«) vergolden.
Das Geschäftsmodell dieser Anbieter basiert auf der Tatsache, daß es für »Zugangsanbieter« im entsprechenden Gesetz eine sogenanntes »Haftungsprivileg« gibt. Also im Grunde das gleiche für die elektronische Kommunikation gilt wie bei der schriftlichen: kein Postunternehmen ist für den Inhalt der transportierten Postsendung verantwortlich.
Sendet ein geneigter Leser einen Erpressungsbrief an seinen Nachbarn, wird nicht die Deutsche Post für den Transport des Briefes als Mittäter belangt, sondern ausschließlich der Absender (so ermittelbar).
Genauso ist eben nicht die Deutsche Telekom für illegales Filesharing eines ihrer Anschlußinhaber verantwortlich, sondern eben dieser Anschlußinhaber selbst (der über die von der Telekom erhaltene IP-Adresse durch die Telekom fast immer identifiziert werden kann).
Leider haben Gerichte bislang eher selten für Recht erkannt, daß jeder Anbieter eines öffentlichen WLAN-Zugangs einem Zugangsanbieter gleichgestellt wäre. Grundsätzlich ist ein Internetanschluß einem Anschlußinhaber zugeordnet. Und es wird im Zweifel unterschieden, ob es ein privater oder ein geschäftlicher Internetanschluß ist, ob ein WLAN daran gänzlich offen oder aber verschlüsselt ist … Viel Raum, um das alte Sprichwort »vor Gericht und auf Hoher See bist Du in Gottes Hand« mit neuem Leben zu erfüllen. Und entsprechenden Anbietern Kunden zutreibt.
Was änderte sich mit dem Wegfall der Störerhaftung der Gültigkeit der Haftungsprivilegierungen für jedweden WLAN-Bereitsteller?
Die Fragestellung mag – insbesondere ob der Schlagzeilen, die vom »Wegfall der Störerhaftung« erzählen – überrasschen; Fakt ist allerdings, daß eben, nach heutigem Informationsstand, genau nicht geplant ist, die Störerhaftung abzuschaffen. Es sollen »nur« WLAN-Anbieter anderen Zugangsanbietern (lies: DSL, Kabel-TV, …) bezüglich der Haftungsprivilegien ausdrücklich gleichgestellt werden.
Ein Problem bei der Vorhersage ist, daß bislang noch kein Gesetzestext vorliegt. Es gibt Pressemitteilungen, die in die richtige Richtung deuten; aber schon der initiale Vorschlag zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) hatte im Gesetzestext das Gegenteil von dem kodifiziert, was angeblich Ziel der Änderung war. Insofern ist Skepsis mehr als angebracht.
Zumindest heißt es bei der SPD Bundestagsfraktion:
Die Koalition hat sich darauf verständigt, mit einer Änderung des Telemediengesetzes klarzustellen, dass WLAN-Anbieter als Accessprovider anzusehen sind und dass diese die Haftungsprivilegierung für Accessprovider beanspruchen können und keinen weiteren Prüfpflichten unterliegen. Da das deutsche Recht keine Unterscheidung zwischen gewerblichen oder privaten Anbietern kennt, gilt diese Klarstellung für alle Betreiber, die ein freies WLAN anbieten.
Soweit, so gut. Es bleibt abzuwarten, was konkret in den Gesetzesentwurf an Worten wandert; um einschlägige Rechtsprechung zu verändern, wird dort mehr drin stehen müssen als nur der oben geäußerte Wunsch.
Wird Freifunk dann überflüssig?
Wir glauben nicht; Freifunk ist nicht nur ein Hotspot-Netz. Die Vision von Freifunk ist die Verbreitung freier Netzwerke, die Demokratisierung der Kommunikationsmedien und die Förderung lokaler Sozialstrukturen.
An diesen Zielen wollen wir auch in Zukunft weiterarbeiten, und wir denken, daß auch in Zukunft dieses ein sinnvollen Unterfangen bleibt.
Nicht zu vergessen: Selbst bei einem kompletten Wegfall der Rechtsunsicherheit beim privaten Teilen des Internetanschlusses bietet die Freifunk-Technik noch Vorteile. Einerseits trennt der separate Freifunk-Router sicher das öffentliche vom Heimnetz, auch bieten nicht alle Kabel-/DSL-Router die Möglichkeit, die Bandbreite für den öffentlichen Zugang zu begrenzen. Andererseits taucht die IP-Adresse des Internetanschlusses nicht nach außen auf, sodaß auch hier der Anschlußinhaber auf der sicheren Seite ist — selbst bei extremem Mißbrauch. Und anders als eine Handvoll einzelner Accesspoints mit jeweils einzelnen SSIDs, bildet eine Gruppe von Freifunk-Routern automatisch eine Funkwolke, in der der Benutzer sich bewegen kann — ohne Verbindungsabbruch.
Fazit
Die Zeit wird zeigen, in welche Richtung die Politik die Weichen stellt.
Doch schon heute kann man, wenn man sich zur Teilung der eigenen Bandbreite entschließt – um Dritten das berühmte »digitale Glas Wasser« bereitzustellen –, durch die Teilnahme an der lokalen Freifunk-Initiative mithelfen, obige Ziele zu erreichen. Und dabei zu Einmalkosten einen Zugangspunkt einfach bereitstellen, ohne auf die Politik zu warten. So, wie es mittlerweile 30.000 Andere getan haben.
(Kleiner Seitenhieb am Rande: mit 30.000 Knoten, die über die Freifunk-Initiativen in Deutschland derzeit bereitstehen, ist der Freifunk doppelt so groß wie free-key, selbsternannter »Größter WLan-Provider« mit seinen 15.000 Hotspots lt. Webseite ;-))